OVG Mecklenburg-Vorpommern 0.03.2024
Im vorliegenden Fall hielt ein Pensionär, der im Nebenerwerb eine Land- und Forstwirtschaft betrieb, einen Kaltblutwallach. Dieses Pferd, welches er auch zum Holzrücken einsetzte, war das letzte Pferd des Pensionärs, nachdem seine zwei weiteren Pferde verstorben waren.
Nach einer tierschutzrechtlichen Anzeige eines Dritten wegen der Einzelhaltung erfolgte durch eine Amtstierärztin eine Kontrolle der Tierhaltung beim Kläger. Im Kontrollbericht hieß es unter dem Punkt „Mängel, Feststellungen, Hinweise“ unter anderem: „Hinweis zum Gemeinschaftsbedürfnis des Pferdes (Sozialverhalten) als „Herdentier“. Hr. A. wird derzeit u. evtl. auch in Zukunft kein weiteres Pferd „dazukaufen“.“ Ferner war das Feld „Die Betriebskontrolle ergab keine Beanstandungen“ angekreuzt.
Nach einer schriftlichen Anhörung und einer weiteren Vor-Ort-Kontrolle durch die Amtstierärztin untersagte das Veterinäramt dem Pensionär die Einzelhaltung des Kaltblüters In der Begründung des durch die Amtstierärztin. gefertigten Bescheides hieß es, dass die „Leitlinien zur Beurteilung von Pferdehaltungen unter Tierschutzgesichtspunkten“ als Orientierungs- und Auslegungshilfe für die Anwendung der einschlägigen Rechtsnormen heranzuziehen seien.
Entsprechend dieser Leitlinien seien Pferde in Gruppen lebende Tiere, für die soziale Kontakte zu Artgenossen unerlässlich seien. Fehlten diese Kontakte, könnten im Umgang mit den Pferden Probleme entstehen und bei den Pferden Verhaltensstörungen auftreten. Das Halten eines einzelnen Pferdes ohne Artgenossen widerspreche dem natürlichen Sozialverhalten der Pferde. Die Kontaktmöglichkeiten zwischen den Pferden dürften durch die Haltungsform und ihre konkrete Ausgestaltung so wenig wie möglich behindert werden. In jedem Fall sei mindestens Sicht-, Hör-, und Geruchskontakt zwischen den Tieren sicherzustellen.
Aus diesem Grund werde nicht die Haltung des Pferdes, sondern der Pensionär lediglich aufgefordert, die Einzelhaltung zu beenden, so das Veterinäramt. Dazu führte es aus, dass ein Pferd als Herdentier auf die überwiegende Anwesenheit von Artgenossen angewiesen sei, auch um sein Sicherheitsbedürfnis zu befriedigen. Als Fluchttiere der Steppe würden Pferde alleine deren Fressfeinden nahezu ungeschützt ausgeliefert sein. Um ausreichend ruhen zu können, müssten sich Pferde auf Artgenossen verlassen können, die sie beschützen und warnen. Dieser Urinstinkt sei in den Pferden verankert und auch durch die Domestizierung nicht ausgelöscht worden. Allein gehaltene Pferde würden demzufolge permanent unter einem unterschwelligen Angstgefühl leiden. Das Leiden des Pferdes ergebe sich aus der mangelhaften Befriedigung seiner sozialen Bedürfnisse.
Dem Pensionär stünden mindestens drei Möglichkeiten zur Verfügung, der Anordnung der „Untersagung der Einzelhaltung“ entgegenzutreten. Zum einen könne er ein weiteres Pferd oder einen anderen Equiden dazustellen. Zum anderen könne der Wallach in einer Pferdepension untergestellt werden, in der der Kontakt zu Artgenossen gewährleistet werden könne. Schließlich könne der Kläger das Pferd auch verkaufen.
Das OVG schloss sich dem Veterinäramt an. Hinsichtlich des Einwandes des Pensionärs, dass die Leitlinien keine Gesetzeskraft entfachen würden, verwies das Gericht darauf, dass der Gesetzgeber sowohl beim ersten Entwurf des Tierschutzgesetzes im Jahr 1971 als auch beim Entwurf eines ersten Änderungsgesetzes im Jahr 1985 deutlich gemacht hätte, dass davon auszugehen sei, dass das Wohlbefinden eines Tieres im Wesentlichen auf einem ungestörten, artgemäßen sowie verhaltensgemäßen Ablauf der Lebensvorgänge beruhe und bei der Unterbringung eines Tieres die wissenschaftlich gesicherten Erkenntnisse der Verhaltensforschung zu berücksichtigen seien. Damit träge der Gesetzgeber ausdrücklich dem Umstand Rechnung, dass sich derartige tierschutzrechtliche Vorgaben stets an einem aktuellen fachwissenschaftlichen Stand orientieren solle und auch deswegen eine abschließende gesetzgeberische Regelung – die bereits aufgrund des notwendigen Gesetzgebungsverfahrens wenig dynamisch wäre – in vielen Fällen nicht angemessen sei, sondern eine Konkretisierung durch die Exekutive besser geeignet sei, dem Gesetzeszweck und einem effektiven Vollzug tierschutzrechtlicher Vorgaben Rechnung zu tragen.