Pressemitteilung des LG Koblenz vom 13.06.2022
Urteil 25.05.2022 Az. 3 O 134/19 (nicht rechtskräftig)
Der Sachverhalt
Die Beklagte ist Halterin einer seinerzeit dreijährigen Stute. Sie hatte das Pferd in einem Stall untergebracht, in dem auch ein Tier der Geschädigten stand. Die Klägerin – eine Krankenversicherung – trug im Prozess vor, die bei ihr versicherte Geschädigte sei im Winter 2017 von der Beklagten gebeten worden, das Pferd gelegentlich zu reiten, weil sie selbst das wegen einer Schwangerschaft momentan nicht könne. Am 04.12.2017 habe die Geschädigte einen Ausritt mit dem Pferd der Beklagten unternommen, bei dem das Tier plötzlich gebuckelt und sie abgeworfen habe. Die Geschädigte habe sich dabei den Arm gebrochen, wodurch Behandlungskosten in Höhe von 5.175,29 € entstanden seien, die von ihr – der Klägerin – übernommen worden seien. Diesen Betrag, so verlangte die Versicherung, müsse ihr die Beklagte als Halterin des Pferdes ersetzen.
Die Beklagte verweigerte dies mit dem Argument, sie habe ihr Pferd nicht der Geschädigten, sondern nur deren Tochter anvertraut. Davon, dass auch die Geschädigte das Pferd reiten würde, habe sie keine Kenntnis gehabt. Die Geschädigte habe sich also eigenverantwortlich gefährdet und den Reitunfall selbst verschuldet; daher sei auch kein Schadensersatz zu zahlen.
Die Entscheidung
Das Gericht verurteilte die Beklagte, der Klägerin die für die Behandlung der Geschädigtenentstandenen Kosten zu erstatten. Nach einer Vernehmung der gestürzten Reiterin und ihrer Tochterzeigte sich die Richterin überzeugt, dass der Beklagten durchaus bekannt war, dass auch dieGeschädigte sich um das Tier kümmerte. Außerdem sei nachgewiesen, dass die Reiterin tatsächlichabgeworfen worden war, als die Stute plötzlich den Kopf zwischen die Beine nahm und mehrfachbuckelte. Als Tierhalterin hafte die Beklagte für die Schäden, die ihr Pferd dadurch verursacht habe.Denn auch in diesem Fall habe sich eine typische „Tiergefahr“ verwirklicht. Ein Pferdehalter sei fürdie Folgen eines Reitunfalls nämlich immer dann verantwortlich, wenn sich das Tier „selbstgesteuert“verhalte und es dadurch zum Unfall komme. Nur dann, wenn es zum Sturz komme, obwohl das Pferddem Willen des Reiters gefolgt sei, fehle es an dieser Tiergefahr und der Pferdehalter hafte nicht.
Die Beklagte könne sich auch nicht – so das Gericht weiter – darauf berufen, dass sie derGeschädigten eine Gefälligkeit erwiesen habe. Denn ein Verzicht der Reiterin auf etwaigeSchadensersatzansprüche sei nicht anzunehmen. Man könne nicht unterstellen, dass die Geschädigteder Beklagten einen solchen Gefallen habe tun wollen, der letztlich nur der hinter der Beklagtenstehenden Versicherung zugutekomme.
Das Gericht urteilte weiter, der Schadensersatzanspruch sei auch nicht wegen eines eigenen Verschuldens der Geschädigten zu kürzen. Diese habe sich lediglich einer „normalen Tiergefahr“ ausgesetzt. Nur demjenigen aber könne ein eigenes Verschulden vorgeworfen werden, der beim Umgang mit einem Tier bewusst Risiken übernehme, die über die gewöhnlich zu erwartenden Gefahren hinausgehen. Das sei hier aber nicht der Fall. Der seit 40 Jahren reiterfahrenen Geschädigten sei das Pferd der Beklagten bereits von vergangenen Ausritten her bekannt gewesen. Sie habe keinen Anlass gehabt, einen Ausritt am 04.12.2017 als besonders gefährlich einzuschätzen, und sei daher kein ungewöhnliches Risiko eingegangen.
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