Ihr Gutachter und ö.b.v. Sachverständiger für Pferde informiert zum Thema: Hat der Käufer eines Pferdes Anspruch auf Einsicht in die zeitlich vor dem Kauf fallenden tierärztlichen Behandlungsunterlagen?

LG Münster     vom    19.08.2022

 

Im vorliegenden Fall begehrte die Käuferin eines Pferdes nach dem Kauf vom Tierarzt, bei dem sich das Pferd vor dem Kauf in Behandlung befand, Einsicht in die Behandlungsunterlagen und Röntgenaufnahmen aus der Zeit vor dem Erwerb des Pferdes.

Sie berief sich hierbei auf folgende kaufvertragliche Vereinbarung:

„Die während der Besitzzeit des Verkäufers für die veterinärmedizinische und chiropraktische Untersuchung und Behandlung des Pferdes in Anspruch genommenen Tierärzte H und P sind vor Vertragsunterzeichnung durch den Verkäufer gegenüber der Käuferin von der tierärztlichen Schweigepflicht entbunden. Der Verkäufer hat veranlasst, dass dem Käufer zu Händen des ihn vertretenden Rechtsanwaltes Q die Dokumentation der genannten Personen vor Vertragsunterzeichnung zur Verfügung gestellt werden.“

Bevor die Behandlungsunterlagen von dem beklagten Tierarzt an die Klägerin herausgegeben wurden, widerrief jedoch der Verkäufer des Pferdes und Auftraggeber der tierärztlichen Behandlung die Einwilligung in die Weitergabe der Informationen und Behandlungsunterlagen aus der tiermedizinischen Behandlung durch den Tierarzt.

In der Folge wurde der Käuferin nur eine Behandlungsübersicht zur Verfügung gestellt. Hierin waren die Daten der Behandlung und schlagwortartig das Behandlungsgeschehen zusammengefasst. Einzelheiten zur konkreten Behandlung wurden jedoch nicht ausgeführt

Der Tierarzt begründete die Nichtherausgabe der Behandlungsunterlagen und Röntgenaufnahmen damit, dass die Käuferin nicht Auftraggeberin der betreffenden tierärztlichen Behandlung gewesen sei. Aufgrund der tierärztlichen Schweigepflicht sei er verpflichtet, vor Herausgabe der Unterlagen bei dem Auftraggeber der tierärztlichen Behandlung nach dessen Zustimmung zur Herausgabe der Unterlagen zu fragen, was dieser jedoch abgelehnt hätte. Ferner sei ein berechtigtes Interesse für die Einsichtnahme nicht ersichtlich, da die Einsichtnahme in die Unterlagen aus Tierschutzgründen nicht erforderlich sei, um die zukünftige Behandlung hierauf aufzubauen.

 

Das Gericht sah ein Einsichtsrecht in die tierärztlichen Behandlungsunterlagen durch die Käuferin als nicht gegeben. Der Umstand, dass der Käuferin möglicherweise kaufrechtliche Gewährleistungsansprüche gegen den Verkäufer zustehen würden, genüge für einen Anspruch gegen den Tierarzt nicht, urteilte das Gericht.

Die Einsichtnahme nach § 810 BGB käme in Betracht, wenn die Urkunde (Behandlungsunterlagen/Röntgenbilder) im Interesse der Käuferin errichtet worden wäre. Dies sei der Fall, wenn sie zumindest auch dazu bestimmt sei, dem Anspruchsteller/Käuferin als Beweismittel zu dienen oder wenigstens seine rechtlichen Beziehungen zu fördern. Dies beurteile sich jedoch ausschließlich nach dem Zweck der Urkunde im Zeitpunkt ihrer Errichtung, nicht nach ihrem Inhalt. Diese Voraussetzungen lägen hier nicht vor, da zum Zeitpunkt der Anfertigung der Behandlungsunterlagen die Interessen der Käuferin nicht berührt waren. Ein berechtigtes Interesse der Käuferin an den Behandlungsunterlagen hätten erst zum Zeitpunkt des Erwerbs des Pferdes bestanden. Zu diesem Zeitpunkt sei die tierärztliche Behandlung aber bereits abgeschlossen gewesen. Anhaltspunkte dafür, dass die tierärztlichen Behandlungen zur Vorbereitung des Verkaufs des Pferdes an die Klägerin erfolgten seien, wären weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, so das Gericht.

Weiter führte das Gericht aus, dass die Einsichtnahmeansprüche des Verkäufers auch nicht im Rahmen des Erwerbs des Pferdes auf die Klägerin übergegangen seien. Zum einen könne die kaufvertragliche Regelung zwischen der Käuferin und dem Verkäufer im Kaufvertrage hinsichtlich der tierärztlichen Dokumentation nicht als Abtretungsvereinbarung ausgelegt werden. Die Formulierung „der Verkäufer hat veranlasst, dass dem Käufer (…) die Dokumentation der genannten Personen vor Vertragsunterzeichnung zur Verfügung gestellt werden“, spräche eindeutig dafür, dass die Einsichtnahmeansprüche des Verkäufers nicht auf die Käuferin hätten übergehen sollen, sondern der Verkäufer seine Einsichtnahmeansprüche gegen die Tierärzte geltend gemacht hätte, um dann eine Herausgabe nicht an sich, sondern zu Händen der Klägerin zu erwirken.

Zum anderen sei gleichfalls ein gesetzlicher Forderungsübergang für Auskunftsansprüche infolge des Erwerbs des Pferdes auf die Käuferin nicht vorgesehen.

Schlussendlich stände der Käuferin auch ein Auskunftsanspruch nach § 242 BGB nicht zu, da es hier an einem schutzwürdigen Interesse der Käuferin fehle. Denn die Käuferin könne aus dem Kaufvertrag über das Pferd einen Auskunftsanspruch gegen den Verkäufer herleiten und Herausgabe der beim Verkäufer vorhandenen Unterlagen sowie entsprechend der Kaufvertragsvereinbarung Veranlassung der Zurverfügungstellung der tierärztlichen Unterlagen zu Händen der Käuferin verlangen.