Ihr Pferdegutachter und ö.b.v. Sachverständiger für Pferde informiert zum Thema: Verkehrssicherungspflichten eines Reitturnierveranstalters.

Der Bundesgerichtshof hatte zu den den Verkehrssicherungspflichten eines  Reitturnierveranstalters zu urteilen.   (Urteil vom 19.01.2021  Az:  VI ZR 194/189)

Was war passiert:

Ein Reitverein veranstaltete auf seinem Vereinsgelände ein Reitturnier, das ohne Zugangsbeschränkung und Eintrittsgeld von Zuschauern besucht werden konnte. Für das Abstellen von Pferdetransportern stellte er den Turnierteilnehmern verschiedene Wiesen zur Verfügung. Eine dieser Wiesen grenzte an einen Weg, der während der Turnierveranstaltung befahren und auch von Besuchern begangen wurde. Entlang des Weges wurden auf der Wiese unter anderem verschiedene Landmaschinen ausgestellt. Dahinter befanden sich von Turnierteilnehmern abgestellte Pferdetransporter und -anhänger. Dort parkten auch zwei Teilnehmerinnen. Als diese mit den Pferden verschiedene Wettkämpfe bestritten hatten, wurden die Pferde in den Pferdeanhänger verbracht, angebunden und von hinten mit einer Haltestange gesichert. Die Rampe am Heck des Pferdeanhängers und Luken im seitlichen Frontbereich waren wegen der hohen Lufttemperatur geöffnet. Danach verließen die dieTurnierteilnehmerinnen den Pferdeanhänger. Ein knapp drei Jahre altes Kind, das mit seinen Eltern und weiteren Verwandten das Turnier besuchte, gelangte unbemerkt in diesen hinein, wo es von einem Pferdehuf am Kopf getroffen und schwer verletzt wurde.

Der BGH urteilte dazu, dass der Reitverein nicht neben der Pferdehalterin als Gesamtschuldner hafte, da er dem verletzten Kind gegenüber nicht gemäß ersatzpflichtig sei.

Der BGH begründete es damit, dass derjenige, der eine Gefahrenlage – gleich welcher Art – schafft, grundsätzlich verpflichtet sei, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern. Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasse diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren. Verkehrssicherungspflichtig sei auch derjenige, der in seinem Verantwortungsbereich eine eingetretene Gefahrenlage andauern ließe.

Der BGH führte weiter dazu aus, dass jedoch zu berücksichtigen sei, dass nicht jeder abstrakten Gefahr vorbeugend begegnet werden könne. Ein allgemeines Verbot, andere nicht zu gefährden, wäre utopisch. Eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließe, sei im praktischen Leben nicht erreichbar. Haftungsbegründend würde eine Gefahr erst dann, wenn sich für ein sachkundiges Urteil die nahe liegende Möglichkeit ergäbe, dass Rechtsgüter anderer verletzt würden. Deshalb müsse nicht für alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden. Es seien vielmehr nur die Vorkehrungen zu treffen, die geeignet sind, die Schädigung anderer tunlichst abzuwenden. Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt sei genügt, wenn im Ergebnis derjenige Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich halte. Daher reiche es anerkanntermaßen aus, diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise für ausreichend halten dürfe um andere Personen vor Schäden zu bewahren und die den Umständen nach zuzumuten seien. Komme es in Fällen, in denen hiernach keine Schutzmaßnahmen getroffen werden müssten, weil eine Gefährdung anderer zwar nicht völlig ausgeschlossen, oder nur unter besonders eigenartigen und entfernter liegenden Umständen zu befürchten wäre, ausnahmsweise doch einmal zu einem Schaden, so müsse der Geschädigte -so hart dies im Einzelfall sein mag -den Schaden selbst tragen.

Danach müsse der verklagte Reitverein keine Vorkehrungen treffen, um zu verhindern, dass ein Kleinkind in einen Pferdeanhänger gelange, so der BGH. Der Reitverein dürfe sich unter den Umständen des vorliegenden Falles darauf verlassen, dass Kleinkinder so beaufsichtigt würden, dass sie jedenfalls nicht in abgestellte Pferdeanhänger oder -transporter von Turnierteilnehmern gelangen könnten. Der Umfang der gebotenen Aufsicht über Minderjährige bestimme sich nach deren Alter, Eigenart und Charakter, wobei sich die Grenze der erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen danach richte, was verständige Eltern nach vernünftigen Anforderungen in der konkreten Situation tun müssten, um Schädigungen zu verhindern.

Beitragsbild: Appel